Ein ausgemergelter Greis zuckt auf einer Trage hinter der halb geöffneten Schiebetür. Ist er am Sterben? Im Flur liegt ein junger Mann – kurzgeschorenes Haar, billige Turnschuhe – auf einer anderen Liege, krumm, ausgeliefert, offenbar bewusstlos. Warum nur sind wir so furchtbar verletzlich? Ich bin froh, dass, was mich hier die letzten Stunden hat verbringen lassen, harmlos erscheint. Eilig schreite ich hinaus in die Nacht, zugleich beschämt, die Ärzte von so viel wichtigeren Fällen abgehalten zu haben, wie sirrend vor Dankbarkeit, das einfach tun zu können: sorgenfrei hinauszugehen, zurück in mein Leben der Pläne und Entscheidungen und scheinbaren Gewissheit des morgen.
Ach, so verletzlich sind wir nicht. Der Mensch hält viel aus, sehr viel.
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Du hast sicher sehr guten Grund, das zu sagen, zu wissen. Mich verunsichert jeder Gang in ein Krankenhaus zutiefst.
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Ich verstehe dich natürlich, aber bei mir haben Jahrzehnte Berufserfahrung im med. Bereich eben Spuren (aber auch Erfahrung) hinterlassen.
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Es ist gut, dass es Menschen wie dich gibt.
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In meiner Kindheit konnten Kinderkrankenhäuser auch was anheimelnd Gemütliches haben, wenn man den ersten Schock „von Mutti weg zu sein“ überstanden hatte: Heimlig verbotenes kleines Transistorradio hören, nächtelang Mosaiks lesen, Witzerzähwettbewerb…
Als Erwachsener jahrzehnte später – fühlt sich das Ganze dann als Gesundheitsfabrik an, die Schwestern sind gestresste Drachen, die der Chefarzt nicht weggeheiratet hat, die Mitpatienten im Zimmer …hm…die pure Lotterie…kann richtig schief gehen…Flucht so schnell es geht.
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Danke für diese Kindheitserinnerungen! Das gibt mir einen ganz neuen Blick. Die „Flucht so schnell es geht“ kann ich gut nachvollziehen.
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Ich finde es gut, dass Du diese Texte jetzt auch hier hin stellst, sonst verschwinden sie so in der Timeline!
Bezüglich der Krankenhauserinnerungen kann ich Folgendes ergänzen: Als Kind war ich im Kinderkrankenhaus, um Polypen aus meiner Nase entfernen zu lassen. OP mit Vollnarkose. Ich kam am Abend vorher in die Klinik und habe in der Nacht sechs Mal aus Nervosität gekotzt – irgendwann kommt nur noch Schleim. Vielleicht war das auch so traumatisch, weil ich den Großteil meines ersten Lebensjahres in der Klinik verbrachte? An eine positive Stimmung in der Art derjenigen von Bludgeon kann ich mich nicht erinnern.
Nun, da ich jahrelange Besuchserfahrung im Krankenhaus habe, weil meine Mutter sechs Jahre wechselweise im Krankenhaus und im Sanatorium war, habe ich ein sehr unverkrampftes Verhältnis dazu. Krankenhäuser sind Gebäude, in welchem man sich trifft und versorgt wird.
Freilich muss ich eingestehen, schon seit 1994 nicht mehr als Patient dort gewesen zu sein.
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Danke für deine Ermutigung!
Und danke für deine Erinnerungen und Einblicke! Das scheinen – durchweg – intensive Erfahrungen zu sein. Ich bedaure, dass wir uns nicht ausführlicher unterhalten haben in der Kesselstadt.
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Nachlesend bin auch ich froh ob der Harmlosigkeit Ihres dortigen Aufenthaltes. Krankenhäuser scheinen mir immer als Zeitverschieber. Nichts ist mehr wichtig, außer eben die Gesundheit. Warum heißen die eigentlich nicht Gesundungshäuser?
Wortflanierende Grüße, stets die Ihre.
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Wie sich die Bedeutungen plötzlich verschieben … Sie haben völlig recht, liebe Frau Knobloch. Viel mehr dankbar sollten wir sein an gesunden Tagen. Bleiben Sie wohlbehalten!
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