Vor dem Mittagessen drei Paar Schneeschuhe und vier Hundepfoten in unberührtem Weiß. Der vergrößerte Fuß sinkt in den weichen, tiefen Schnee und presst ihn zusammen, stößt dann auf den Harsch der vergangenen Woche, durchbricht ihn knackend, sinkt noch eine Winzigkeit tiefer und hebt sich dann wieder leicht und mühelos. Es ist fast, als könne man über Wasser schreiten.
Wir nehmen Wege, die keine Karte kennt, auch das Auge nicht, sondern einzig unser Entschluss, querfeldein, das Tal zwischen den stummen, dunklen Fichten hinunter, durch Holundergebüsch hindurch, einen Hang empor, eine Senke hinab, in der einst wohl die Schmelzwasser der Eiszeitgletscher zur Seite flossen, die Steigung wieder hinauf. Für einen Augenblick verschwindet alles Land hinter der Kuppe, der Hang scheint wie eine makellose Mauer aufzuragen in einen drohenden, schneebeladenen Himmel. Und nur eine einsame Anflugstange für die Greifvögel durchbricht diese Gewalt, einem Miniaturgalgen gleich in vollkommener Wintereinsamkeit.
Der Himmel zieht sich weiter zusammen. Der Hund drüben im Schnee ein tiefes, ganz und gar körperliches Schwarz, ansonsten nur zerfließende Schichten von Weiß und Grau, die Wälder jenseits der Felder auf blasse Schemen reduziert. Schneefall setzt ein, der Wind beißt in die Wange, alles wird zu einem Wirbel aus Flocken. Atem fließt, ein Kristall zerschmilzt an den Wimpern, Fuß für Fuß geht es tiefer in dieses lautlose Stürmen hinein. Ist irgendeine andere Gewalt derart stille? Nie erschien mir Winter schöner, das Leben richtiger. Wie froh ich bin, der Kesselstadt entkommen zu sein, als hätte ich Jahre ein Leben im Falschen geführt.
Später lodert im Westen eine andere Art von Weiß auf. Das Illertal ist in ganzer Breite zu überblicken, über den jenseitigen Höhen lässt die Sonne die dünne Wolkendecke erstrahlen. Eine Dorfglocke schlägt 12. Rauch aus einem Kamin.
Als wir die Schneeschuhe abschnallen, schiebt sich von Westen her bereits die nächste Wolkenfront heran. Wieder wird die Welt zu weißem Fallen.