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Die Hohe Schulter

Oben auf der Kuppe steht, am Ende des Asphalts, ein Auto, die Scheiben halb heruntergelassen, Licht und Wind ausgesetzt. Der dicke Mann im Wagen mustert mich aus den Augenwinkeln, aber den Blick erwidert er nicht, also grüße ich nicht. Der dicke Mann schließt seine Augen und döst, in seinem Auto auf der Höhe, auf der Scheide zwischen dem östlichen und dem mittleren Allgäu.

Die Hohe Schulter ist eine markante Erhebung, markant deshalb, weil nicht von Fichten überzogen wie ihre Fortläufer nach Norden und Süden. Die Hohe Schulter ist von Gras bewachsen und auf ihr die Kronen zweier üppiger Laubbäume, aus der Ferne schon zu sehen. Sie ist eine jener Landschaftsmarken, die auf den ersten Blick schon zu Sehnsuchtsorten werden, locken, verzaubern, Geheimnis und Versprechen zugleich.

Ich weiß nicht, ob ich mich traurig, lächerlich oder aber erhaben fühlen soll, als ich die Höhe besteige und irritiert meine überflüssigen Pfunde spüre. Hatte ich das nicht ändern wollen? Bringe ich überhaupt irgendetwas zu Ende, das ich angehe?

Wind rauscht, Grillen zirpen, die Alpenberge im Süden sind halb verborgen von um die Schultern geschlungenen Regenmänteln. Unter mir der matte Spiegel des Notzenweihers, birkenumsäumt. Aus der Nähe ist sein Moorwasser braun, auf der Wiese davor hatte ich mir einst einen meiner schlimmsten Sonnenbrände geholt in jener Woche, in der ich alle sechs Bände „Durch die Wüste“ zum zweiten Mal gelesen, wie von Sinnen in mich aufgesogen hatte, um danach nie wieder ein Buch von Karl May in die Hand zu nehmen. Drüben dann, im Osten, der Auerberg, eine weitere markante Höhe, noch ein Sehnsuchtsort, am Rande des Allgäus, die Schatten dahinter liegen bereits im Lechrain, im Pfaffenwinkel.

Ich drehe mich um, passiere das Auto auf der Höhe und vor mir öffnet sich das Illertal. Cumuluswolken türmen sich himmelwärts. Andere, grauere Wolken zerteilen das Licht der Sonne in Strahlenfächer. Dächer leuchten auf drüben im Westen. Ganz nah das Auf und Ab des Sträßchens, über das ich heraufgekommen bin. Als ich ein Kind war, brachte meine Mutter über diese Straße Wolle zum Kardieren, zum Kämmen, um sie fürs Spinnen bereit zu machen. Wo damals die Weberei zwischen den Hügeln lag, steht nun ein Schild „Kunstakademie Allgäu“. Die Felder blütenloses Grün, die Kühe enthornt, Windräder da, da, da.

Ich folge einem Pfad über den Hügel, an Bäumen und Bänken und Blumen vorbei. Ich suche etwas, suche einen Ort, um ihn anderen zu schenken. Ich finde ihn nicht, mache kehrt, gehe über den Wiesenpfad zurück, an dem Auto vorbei, den Feldweg hinab, dem Wind vornweg. Die Eschen, wird mir da erst bewusst, vor vier Wochen noch kahl, stehen da in Fülle.

Kreise ziehen

Als die seit Tagen alles erdrückende Wolkendecke aufreißt, habe ich noch eine gute Stunde.

Ich beschließe, meinen Geburtsort zu umrunden. Nicht aus Sentimentalität, Erinnerungen an jene allererste Lebenszeit habe ich keine, auch nicht schöner Wege wegen. Vielleicht um den Ort nochmals anders kennenzulernen.

Am Bahnhof starte ich meine Runde, er ist mir der erinnerungsträchtigste Ort in dieser Marktgemeinde. Wie oft bin ich in meinen Jugendjahren hier mit dem letzten Zug aus der Stadt gekommen und dann zu Fuß die vier Kilometer nach Hause gegangen. Regen war dabei nicht die schlechteste Wahl, denn dann fühlte ich mich getarnt an jener kurzen Strecke durch den Wald, wo der Weg ausgerechnet am steilsten wurde und auch noch die Kadaverkiste stand damals im letzten Jahrhundert und mich immer die namenlose Angst vor der Dunkelheit erfasste.

Ich erinnere mich, als ich die erste Bahnunterführung passiere, von der das Sträßchen hinaufführte auf die Endmoräne, an jene Liebespein im Hochsommer, als der letzte Abendglanz am Horizont meinen Herzschmerz in ein Gedicht formte, oder einen feuchten Herbst, als ich in Stiefeln, die mir nicht passten, erst zum Zug hinunterjoggte und dann zurück aus der Stadt mit blutigen Fersen dahinschlich, bis ich die Stiefel auszog und barfuß ging über den nassen, kalten Asphalt.

Nach der zweiten Unterführung schlage ich mich nach rechts. Eine von Eschen gesäumte Allee öffnet sich von mir, von ihr hatte ich nichts gewusst. Am Wegesrand kauert das Schützenhaus, der Ostwind beißt sich in mein Gesicht. Er schmerzt in der Nase, ich atme durch den Mund, es ist besser, wenn auch widersinnig. Ich biege auf eine Wiese ab, quere sie nach Gutdünken. Das ist die Freiheit des Winters.

Bald habe ich Wertstoffhof und neuen Kreisverkehr hinter mir. Ein Schlenker hinüber übers Feld in den DM? Ich entscheide mich dagegen. Nichts, was ich gerade wirklich von dort bräuchte. Ein Schild kündigt weiteren Grünflächenfraß durch Gewerbebauten an. Auf dem Fußballplatz neben dem Freibad spielen Männer Fußball. Scharf pfeift der Schiedsrichter, scharf pfeift der Wind. Nicht alle tragen Mützen, manche Waden sind nackt.

Dann gehe ich wieder auf einem unbekannten Weg. Am Tennisverein vorbei, danach ein versteckter Bauernhof, gegenüber ein Stock, aus dem ein ganzer Wald von Haselbüschen wächst, Dutzende von dünnen und nicht so dünnen Stämmen auf kleinstem Areal. In eine bewaldete Senke hinab, ein Bach fließt, mehrfach gebremst von Betonwehren, der Iller entgegen. Technobässe jenseits der Baumlinie.

Ein Feldweg kurvt um den Ort herum, die Musik verebbt, die Sonne steht am Wolkenrand, Strommasten der Überlandleitung. Das Lauteste ist nun der Wind. An einem Oma-Häuschen vorbei biege ich in die letzte Straße der Neubausiedlung. Um die Ecke einer Thujahecke kommt mir ein Herr entgegen – der erste Mensch, der mir auf meiner Runde begegnet -, wir schlingern beide ein bisschen, bis wir herausgefunden haben, wie wir einander ausweichen.

Dann die Unbarmherzigkeit der Waschbetonsiedlung, drei Stockwerke leicht versetzt aufeinandergestapelt, und das ins Dutzendfache wiederholt, Schrecken der 60er- und 70er-Jahre. Mir ist es recht, gleich wieder hinauszuziehen aus dem Ort, der Feldweg gen Norden, hinüber ins Moos, wird mir zur Flucht.

Auch andere atmen hier auf. Und jedesmal wieder die Überlegung, sage ich „Hallo“ oder „Servus“ oder „Grüß Gott“. Ich prüfe rasch Gesicht, Aussehen, Erscheinung und entscheide mich dann. Manchmal treffe ich den richtigen Ton, manchmal nicht. Ein Mädchen hangelt sich unter einem Stacheldraht hindurch, ein blonder Junge steuert einen Traktor, er nickt mir zu. Ein Schafstall, die vom Wind gehärtete Oberfläche des Schnees in Schollen zerbrochen.

Eine Kehre und schon habe ich den Ostwind wieder im Gesicht. Der Feldweg ist eine Bahn aus Eis, Kinn und Wangen schmerzen, da schützt der kurze Bart kaum, dazu müsste er schon sehr viel länger sein. Die Strecke wird ein fröhlicher Kampf. Bis ich die ersten Häuser erreiche, bin ich wieder versöhnlicher gestimmt.

Zum Bahnhof fünf Minuten, zeigt ein Schild, alle Wege sind mit Wanderschildern versehen, der Fremdenverkehr will kein Irregehen. Fremd bin in gewisser Weise auch ich. Ich kenne niemanden in diesem Ort, wird mir bewusst – ein Trampelpfad hinter Leitplanken -, zumindest niemanden so gut, dass man sich wechselseitig einladen würde. Als ich am Bahnhof anlange, weiß ich, dass ich das ändern will. Ganz sicher gibt es unter den paar Tausend Menschen hier auch welche, auf die ich mich freue, sie kennenzulernen. Ja doch, so stehe ich am Ausgangspunkt meiner Reise, der Kreis ist gezogen. Nun gilt es, Kundschafter auszusenden …

Aber zuerst die Sauna. Binnen Minuten erhöht sich meine Umgebungstemperatur um 100 Grad, der Atem müht sich nun auf andere Weise, Wasser tritt aus den Poren. Am längsten nistet die Kälte zwischen Lippen und Kiefer.

Winter_Schnee_Feldweg_Allgäu

Die Kurve

Eglofs war für mich immer eine scharfe Doppelkurve, die sich unter dem Auge eines Kirchturms hinabschwang ins Tal. Den Ort selbst hatte ich meines Wissens nie betreten, bis in meine Lebensmitte hinein blieb der Name nur diese Kurve, ein Bild aus Kindheits- und Jugendtagen, als man vor der Öffnung der A 96 noch diese Strecke nahm zum Bodensee oder vielleicht hinüber nach Dornbirn, wo wir eine Kindheitsfreundin meiner Mutter besuchten. Sie schätzte ich besonders, weil sie auf ihren Besuchen – damals noch von ihrem Studienort im Tirol aus – gern und bereitwillig mit uns Kindern spielte, ganz besonders das von mir geliebte Brettspiel mit den Figuren und den weißen Steinen, was meine Eltern selten taten, und auch, weil sie mit der Welt der Bücher in Verbindung stand, die mir Verheißung war und später lange Jahre ja auch eigener Broterwerb, und weiters deshalb, weil sie Geschichte studiert hatte, damals also in Innsbruck, welches ich lange Zeit ebensosehr und ausschließlich mit ihr verbunden hatte, bis einer meiner Onkel dann einige Jahre dort am Theater arbeitete, die Geschichtswissenschaft also, die ich später selbst studieren sollte. Das also war mir die Kurve von Eglofs.

Der Fußweg führte mich halb um die kleine Große Kreisstadt Wangen herum, zuerst zum Friedhof nach Süden, gut besucht an diesen Allerheiligen, an dem Menschen ihren Verstorbenen einen Besuch abstatteten, obwohl Allerseelen ja erst am nächsten Tag sein würde, aber der war eben kein freier Tag, weshalb Allerheiligen für den Friedhofsbesuch genutzt wurde. An den Eingängen schüttelten Männer in Uniform, hinter großen Brillen die Spendenbüchse. Man kannte sich, nur der Wanderer vor der Mauer war fremd.

Jenseits der Stadt, so dachte ich, würde ich innehalten und lauschen, sobald ich kein Motorengeräusch mehr hörte, aber immer blieb das Rauschen von der Bundesstraße wahrnehmbar, und wenn doch einmal nicht, inmitten eines Wäldchens vielleicht, dann zog ausnahmslos ein Linienflugzeug niedrig über den Himmel. Also ging ich eben, ging weiter, gehe weiter ohne innezuhalten, die Jochbeine glühen kalt, die Handschuhe vermisse ich nicht. Anders als die Straßen schweigen die Wälder, wenn nicht gerade eine Amsel Alarm schlägt. Wie eingefroren die Landschaft bereits, im Windstillen schwebt nicht einmal Laub herab. Greifvögel, Katzen beim Mausen, Jungvieh auf den Wiesen vor dem ersten Schnee, sonst kein Tier.

So quere ich also den Bach, der in seinem Namen den meinen mit sich trägt, passiere den ausgewiesenen Kräutergarten, der so stille ist wie die Wälder, komme den Himmelberg herunter und steige zum Schnaidthöfle wieder hoch und bin immerhin ein paar Mal überrascht, wenn ich Wirklichkeit und Karte wieder in Einklang bringen muss, das immerhin bietet der Weg, den ich sonst nicht innigst ans Herz legen würde. Passiere auf dem Kamm zuletzt den Hof, wo wir im Sommer auf der verwandtschaftlichen Radtour Halt gemacht haben, und bin dann, nach drei Stunden Wegs, in Eglofs.

Das Dorfcafé suche ich auf, um einen Studienfreund auf Besuch zu treffen. In der Uni-Mensa haben wir nicht selten zusammen geschwiegen, im Einvernehmen geschwiegen, und das muss man ja auch erst einmal können, gemeinsam im Guten zu schweigen. Später teilten wir in unserem Berufsleben noch einmal für ein paar Jahre eine andere Stadt, aber das letzte Wiedersehen lag auch bereits den zweiten Sommer zurück, ein herrlich strahlender, reifer Tag war es gewesen im Lautertal der Schwäbischen Alb, zwischen Blatt und Licht und der Herrlichkeit des Lauterwassers.

„Mein Kind“, spottet der Freund und deutet auf den Kinderstuhl neben sich, „mein Auto“, winkt er zum Fenster hinaus, „mein Baugrund“, zeigt er mir auf dem Smartphone eine eingeebnete Fläche. „Eine Fliegerbombe war zum Glück nicht drin“, atmet er auf.

„Vielleicht noch ein paar Alemannenknochen?“, ermuntere ich.

„Unwahrscheinlich. Wir sind auf Sandstein gestoßen. Das erhöht die Kosten zwar noch einmal, aber ein alter Alemanne dürfte sich da darunter jedenfalls nicht verstecken.“

Das Dorfcafé füllt sich. „Ausschließlich mit Butter gebacken“, wirbt das Café, vegan ist hier fehl am Platz bei den vielen selbstgebackenen Torten und Kuchen. „Wie zu Großmutters Zeiten“, da würde clean eating durchaus passen, gute Zutaten frisch verarbeitet, aber wer will sich hier schon ein solches Modelabel umbinden? Die Wirtin eine robuste, herzliche Frau, täglich frisch gebackenes Brot, kein Tisch in der Stube mehr frei, das Café läuft. Ein Schatz für ein solches Dorf, denn welches kann denn ein richtiges Café sein eigen nennen, und das noch mit so viel Leidenschaft, Herzblut und soliden Rezepten geführt?

Geschwiegen haben wir am Tische nicht. Für diesen Luxus sehen wir uns inzwischen dann doch zu selten. Ich stecke den Rest meiner Butterseele ein, klopfe dem Freund auf den Rücken und wende mich wieder gen Osten. Die Kurve bin ich nicht hinabgefahren.

Mittags treiben Möwen auf dem schwellenden Fluss

Mittags treiben Möwen auf dem schwellenden Fluss, fern jeder See. Der Regen formt Teiche auf der Oberfläche des Wassers.

*

„Ich drehe einfach die Zahlen meines Alters um und frage euch: Was habt ihr alle gemacht, als ihr so alt wart?“, gibt der Gastgeber vor. Irgendwann ist das Thema bei zwei Sünden der Landbevölkerung: Alkohol und Raserei. „Früher war der Ort hier berüchtigt – ein richtiges Niemandsland zwischen Bayern und Baden-Württemberg. Wenn du bei einer Verkehrskontrolle hier nur ein Fahrzeug angehalten hast, hattest du schon gleich den Ersten mit Alkohol am Steuer“, erzählt einer. Dann werden Unfälle aufgezählt, Verkehrstote, Schicksale. Es klingt wie Geschichten aus dem Krieg: auf jedem Hof ein Toter. „Und das Ostallgäu hatte damals auch einen ganz schlechten Ruf“, ergänzt der Polizist. „Weites Land, wenig Polizei. Da sind die schlimmsten Unfälle passiert.“

Später dann ein Spiel: schnelle Wahrnehmung, blitzartige Fokusveränderungen. Nach der Viertelstunde sind alle aufgedreht: Adrenalin in den Adern, Heiterkeit in den Stimmen. „Das Spiel wirkt wie ein Kaffee.“

Schließlich hinaus in die Nacht. Windböen, peitschender Regen. Schwarze Flächen und blendendes Licht und dann, plötzlich, ein Fell greifbar nahe am Straßenrand. Ich bin bereits vorbeigerauscht, als mein Gehirn erst verarbeitet, was es da gesehen haben muss: Ein Reh am Seitenstreifen, in Armreichweite des Fahrzeugs und leicht abgewandt, dabei völlig reglos. Zum Glück reglos: Nur ein Schritt nach links und es hätte ein Massaker gegeben. Und dann denke ich mir, hätte ich seine Augen gesehen vor einem Aufprall, wäre ich diesen Blick nicht mehr losgeworden.

*

Das weite Land im Osten ist abgesoffen. Da braucht es nur mal eine Nacht und einen Tag zu regnen, und schon zeigt sich entlang der Bahngleise anstelle von Wiesen eine Seenlandschaft. Den Kröten in der folgenden Nacht auszuweichen habe ich nicht mehr geschafft.

An der Höll

Ein Blick durchs Dachfenster, ein Ziel erfassen. Die Tür fällt unten ins Schloss, Beine schreiten aus.

Manches an dem Weg ist mir bis aufs Äußerste vertraut, anderes neu oder ganz vergessen: der geteerte Radweg parallel zur Straße, die ich überquere; der Schwung des Weges am Waldrand, der das Ziel nochmals vor dem Blick verbirgt.

Entlang der Brombeerranken, an denen wir Kinder uns die Beine aufgekratzt haben, schreite ich in die Höll, einer rechteckigen Wiese, auf drei Seiten von Wald umgeben, wo einst die Pferde grasten oder ein Volleyballnetz aufgespannt wurde und Freunde meiner Eltern aus den Weilern und Dörfern so oft zum Spielen kamen oder wir Bumerangs warfen, die unser Vater gebaut hatte, und zwischen zwei flachen Händen wieder aus der Luft griffen. Zwei der Wurfhölzer waren schwerer als alle anderen, das eine gelb, das andere rot lackiert, vor ihnen hatte ich Angst.

Ein Fuchs harrt in Lauer auf dem Feld. Er bemerkt mich nicht. Damals wäre ich nervös geworden, ich hätte gezögert, vielleicht wären meine Schritte erstorben. Wildtollwut war eine reale Gefahr und noch lange nicht ausgerottet. In meinen Träumen wurde der tollwütige Fuchs zum Sinnbild der erwachenden, verwirrenden Kräfte des Heranwachsenden. Heute müsste sich mein Unterbewusstsein ganz andere Bilder suchen. Ein paar Schritte kann ich noch machen, bis das Tier mich registriert und sich zur Flucht wendet, den rötlichen Leib und den dunklen Schwanz gestreckt, als ginge es um sein Leben.

Ich hatte es immer gewusst und trotzdem stehe ich erschrocken vor der Höll. Die Wiese meiner Kindheit ist nicht mehr, sie ist ausgelöscht. An ihrer Stelle ragen Bäume in die Höhe, haushoch bereits und eng gepflanzt, der Untergrund ist düster und von moderndem Laub bedeckt. Etwas drückt auf meine Brust. Tautropfen lösen sich von den Buchen und Fichten. Sie stürzen hinab, in die Tiefe, wie die Augenblicke, Tage und Jahre meiner vergänglichen Existenz.