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Medialer Overkill

Ich plane einen Kinobesuch, schaue mir ein paar Trailer an und fühle mich danach sehr verspult. Reizbar, verwirrt, unzufrieden und ganz und gar nicht in meinem Körper. Ich bin im wahrsten Sinne des Wortes außer mir. Ein paar buddhistische Achtsamkeitsübungen helfen mir, wieder zu mir zu kommen.

Es ist ein altes Werturteil meinerseits gegenüber Bewegtbildern, sie, zumindest im Rahmen ihrer üblichen Konsummuster, als eine Art Hypnosemasch(in)e zu betrachten. Daher mein bereitwilliger Verzicht auf ‚Fernsehen‘, auch nichtlineares, auch als Häppchen auf den Sozialen Medien, und meine Feier des Kinos als einen magischen Ort – den Tempel eines geheiligten Rituals, das ich bewusst und liebevoll ausführe. Dass mich nun schon ein paar Trailer im Netz reizüberfluten, beunruhigt mich. Ich weiß nur noch nicht, in welche Richtung hin.

Heute waren die Kinder zum ersten Mal in einer Bücherei. Einer Dorfbücherei aus dem letzten Jahrhundert: Frau H. führt freundlich Hoheit, ein Kundenkonto ist durch bloße Nennung der eigenen Adresse erstellt, jedes ausgeliehene Buch – vier Wochen Ausleihe, keinerlei Kosten – erhält einen Stempel. Analog auf einen Papierstreifen.

Für die Kinder war es neu genug. Sie waren kaum mehr aus der Bücherei herauszubekommen, abends stritten sie darum, wer von beiden welches Buch vorgelesen bekam, links und rechts bedrängten sie mich und als wir die Bücher zuklappten, gab’s Zeter und Mordio. Dann regierte nur noch eine urtümliche Schicht ganz hinten im Gehirn. Die kleinste Frustration: Kreischen und Werfen – Dinge durch den Raum, sich selbst auf den Boden. Wie eine veraltete, fast dem Dornröschenschlaf anheimgefallene Dorfbibliothek mit ein paar Kinderbüchern medialen Overkill auslösen kann …

Sie werden das Medium Kinderbuch bald gemeistert haben, ohne irgendwelche Achtsamkeitsübungen zu brauchen. Ich ahne, ich werde sie für meinen Fall immer mehr benötigen.