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Der Gesang der Stille

„Sind da Buchstaben drin?“, fragte mich meine Tochter, als ich das Buch auspackte.

Um halb Sechs kroch ich zwischen den träumenden Leibern der Meinen hervor, es war dunkel. Unten machte ich ein paar Übungen, um nicht zu zerbrechen. Stille und ich in ihr, schönste Eins-amkeit.

Spät am Abend, als endlich alle Pflichten erfüllt, findet ein Gedichtband in meine Hände. Lyrik zu lesen ist eine Art von Meditation. Innehalten, Einlassen, Ruhigwerden, bis ich die Stille höre.

„langsam fließt das denken ab“, schreibt Lutz Seiler in seinen Gedichten „schrift für blinde esel“. Meditation kann auch Ausschreiten sein, schweigend in der Natur, im „langsam atmenden schatten der Bäume“, „abzusacken im geflüster der moränen“.

In der Stille höre ich den erstarrten Strom der Moräne, auf der ich lebe. Den Gesang der Sterne. Die Welle meines lautlosen Atems. Ich denke an Adolf Endler, auch er ein ‚Ostautor‘ wie Lutz Seiler, doch seine Lyrik eine ganz, ganz andere, und trotzdem liebe ich seinen Titel „Dies Sirren“, in dem ich nicht Mücken höre, sondern die Nacht selbst, das Gestein, den Baum oder auch den Sommer, in dessen Korn es knackt und flüstert wie das „susurrus“ bei Terry Pratchett und auch ich gehöre zu denen, die diesem Wort verfallen sind.

Welch merkwürdige Kombination von Autoren, denke ich mir, und da geht der Kühlschrank an und zerstört den Gesang der Stille und ich weiß wieder, wie spät es ist.